Auszug 125jähige Geschichte des MGV „Frohsinn“
Brandoberndorf
v. Hans Otto Schneider
Philipp Carl N i c k e 1
(1871/72-1892)
In Eisemroth, Amts Herborn, erblickte
er am 09. April 1825 als Sohn der Eheleute
Johann Jost Nickel d.J. und Anna
Margarethe, geb. Herbst, das Licht der Welt.
Von 1842 bis 1845 besuchte er das Herzoglich-Nassauische Schullehrerseminarium
zu ldstein/Ts.
Seine erste Anstellung erhielt er 1845 in Langenschwalbach‘, die nächste 1846
im
benachbarten Lindschied.
Am 03. Dezember 1847 heiratete er zu Langenschwalbach Marie Katharine
Diefenbach2.
Es folgten Versetzungen nach Eiershausen bei Dillenburg und weiter nach
Mittelfischbach,
Amts Nastätten. Als hier alle
Einwohner der Schulverbandsgemeinde Niederfischbach nach
Amerika auswanderten, so daß
ein Teil seines Gehaltes entfiel, wurde Lehrer N i c k e 1
nach Offdilln, Amts
Dillenburg, versetzt.
Hier starb 1855 seine Frau im Alter von 32 Jahren.
Am 15. März 1857 heiratete er in zweiter Ehe Marie Elisabethe Ort m a n n3.
Diese starb
jedoch schon Anfang 1860,
nachdem sie einer Tochter das Leben geschenkt hatte. Zuvor,
am 06. August 1858, war die
Wohnung des Lehrers ein Raub der Flammen geworden.
Im Januar 1861 verheiratete sich Lehrer N i c k e 1, der zu diesem Zeitpunkt
sechs
unmündige Kinder zu versorgen
hatte, zum dritten Mal, und zwar mit Anna Margarethe
S c h m 1 d t aus Ofldilln4.
Ab 01. Januar 1869 wurde er als Erster Lehrer zu Brandoberndorf angestellt.
Zunächst musste
er die Stelle des Zweiten
Lehrers noch mitversehen, er hatte das Organistenamt inne, von
1871 /72 bis 1892 leitete er
den MGV „Frohsinn“, zeitweilig bekleidete er das Amt des Direktors
des „Vorschuß-Vereins zu
Brandoberndorf“5, dessen Gründungsmitglied er auch war, er war
Vorsitzender des Lehrervereins,
und außerdem wurde ihm mit dem 10. Oktober 1882 noch
die Postagentur zu
Brandoberndorf übertragen.
Fünf Jahre zuvor hatte Lehrer N i c k e 1 in die Schulchronik eingetragen:
Wollte Gott, daß für den ersten Lehrer eine geräumigere
und gesündere Wohnung
beschafft würde!“
Wie begründet diese Klage
war, zeigt der Umstand, daß Ende März 1878 N i c k e 1 s dritte Frau
im Alter von 42 Jahren an
Lungenschwindsucht starb.
Lehrer N i c k e 1 selbst schloss nach über 25jähriger Tätigkeit in
Brandoberndorf als ein trotz
seiner Strenge beliebter und
geachteter Mann im Alter von 69 Jahren am 19. August 1894 für
immer die Augen.
Anmerkungen
1 heute Bad Schwalbach
2 MarieKatharine Diefenbach
* 04.06.1822 zu Lindschied
t 01.04.1855 zu Offdilln
3 Marie Elisabeth 0 r t m a n n
* 28.111827 zu OffdiIIn
t 31.011860 zu Offdilln
4 Anna Margarethe Schmidt
* 04.07.1835 zu Offdilln
t 3O.O3.1878 zu Brandoberndorf
5 Der Verein wurde im Jahre 1875 gegründet und ist der Vorgänger der
heutigen „Volksband
Brandoberndorf eG“. Im Usinger Anzeiger No. 19/1870
vom Samstag, dem 05. März
1870, wird auf Seite 4 berichtet: „... Die Vorschuß-
oder Creditvereine, sowie
sonstige Genossenschaften sind ein sociales Bedürfniß
unserer Zeit. Der Zweck
derselben ist ein zweifacher. Erstens: um dem steigen-
den Wachsen des Proletariats,
der sich mehrenden Verarmung der großen Masse,
gegenüber dem, durch den
großartigen Aufschwung unserer Industrie sich anhäufenden
Capital in einzelnen Händen,
möglichst zu steuern, entgegen zu wirken, und einen
gesunden, Iebenskräftigen
Mittelstand zu schaffen und zu erhalten und somit die
gesellschaftliche, wie
staatliche Ordnung vor den eventuell höchst verderblichen
Folgen dieser Extreme zu
schützen. — Zweitens: um dem fleißigen, strebsamen aber
mitte/losen Arbeiter,
Handwerker und kleinen Landwirthe Mittel zu bieten, seine Lage
zu verbessern, sich eine
selbständigere menschenwürdigere Stellung zu erringen, überhaupt
durch Vorschüsse gegen
möglichst geringe Zinsen Unterstützung und Fort- hülfe zu
gewähren und vor herzlosen
Wucherern zu bewahren. — Dieß ist wohl der schönere,
edlere Theil des Zweckes,
weil gefühlvoll-menschlich, human und gerecht.
Der Gründer des
Genossenschaftswesens ist bekanntlich der Landtagsabgeordnete
Schulze-DeIit(z)sch, ein eben
so edler, hochherziger Menschen freund, wie ein staatskluger
Politiker...“
6 Lehrer N i c k e 1 wohnte mit seiner Familie im alten „Schulhof“ auf der
Untern Seite
(Haus Nr. 4);
die Bürgermeisterchronik
berichtet: „ 1738, worde das Schulhaus mit Ziegel gedeckt“;
„1752. Das Thorhaus am Schulhof erbaut.“ Im
Inventar des Brandoberndorfer
Kirchen- und Schulgutes von
1794 heißt es zu dem Anwesen: „Eine Hofseithe auf der
untern Seite, welche der
zeitige Schuldiener mit den seinigen zu bewohnen hat; die
Gemeinde aber zu bauen und zu
reparieren schuldig ist.“
Vor der Fertigstellung des Rathauses (1826, der Turm wurde allerdings erst 1841
nachträglich aufgesetzt)
wurde dort in einer Stube auch der Unterricht erteilt, zu
Lehrer N i c k e 1 s Zeiten diente das Anwesen nur noch als
Lehrerwohnung.
Eine der ersten Erwähnungen des MGV „Frohsinn“
Brandoberndorf im Druck
dürfte wohl in dem Bericht
von der Beerdigung des langjährigen
Dirigenten N i c k e 121 im
„Kreis-Blatt für den Kreis Usingen“ zu finden sein:
Der Gesangverein Brandoberndorf eröffnete den großen Trauerzug mit umflorter
Fahne. Auf dem Friedhofe sang
die Gemeinde den Choral:
‚Du bist mein Ziel‘.
Alsdann hielt Herr Pfr. Kurtz
zu Brandoberndorf22 die Leichenrede unter
Zugrundelegung des Gottes Wortes
1. Röm. 19,423:
‚Es ist genug! So nimm nun,
Herr meine Seele; ich bin nicht besser denn meine Väter‘.
Mit bewegten Worten gedachte
der Redner des Verblichenen, hinweisend was die
Gemeinde an ihm gehabt und verloren
etc.
Alsdann sang der
Gesangverein, dessen langjähriger Dirigent der Verstorbene war,
unter Leitung des Herrn
Lehrer S c h n e id e r zu Weiperfelden24 das Grab//ed:
‚Wie sie so sanft ruhen etc.‘
Herr Kreisschulinspektor
Schmidtborn = Espa gedachte des nun im Grabe ruhenden
Freundes und Lehrers.
Anerkennend hob er die
Pflichttreue und jugendliche Frische des alten Lehrers hervor...‘